Trans Asia 2001: Woher - Wohin
Ich stehe an der Reling, betrachte wie die letzten Lichter Wladiwostoks langsam in der Ferne von der Dunkelheit der Nacht verschluckt werden. In etwa 40 Stunden werden wir im Hafen von Fushiki, in Japan einlaufen. Ich nutze die Zeit die letzten sechs Monate nochmals Revue passieren zu lassen.Woher - Wohin
Ich stehe an der Reling, betrachte wie die letzten Lichter Wladiwostoks langsam in der Ferne von der Dunkelheit der Nacht verschluckt werden. In etwa 40 Stunden werden wir im Hafen von Fushiki, in Japan einlaufen. Ich nutze die Zeit die letzten sechs Monate nochmals Revue passieren zu lassen.
So richtig anefangen hatte meine Reise eigentlich erst in Moskau. Hier habe ich Freunde in der Moto-Redaktion wiedergetroffen und fuer drei Wochen das uneingeschraenkte Gastrecht bei Ivan und seiner Familie genossen. In dieser Zeit habe ich mir mit viel, buerkratischen Aufwand die fuer Zentralasien notwendigen Visas besorgt oder zumindest die dafuer noetigen Papiere in die Wege geleitet. Unvergesslich sicherlich auch das verlaengerte Wochenende mit Ivans Familie auf deren Datscha am Seliger-See. Wie die meisten Russen, besitzen auch sie eine Art Wochenendhaus im Gruenen, wo sie oft an Wochenenden hinfahren und auch ihre Sommerferien verbringen. In Russland eine Datscha zu haben, ist nicht gleichzusetzen mit Wohlstand, sondern ruehrt aus Sowjetzeiten her, als jeder Buerger Anrecht auf ein 600 m2 grosses, ganz privates, Stueck Land hatte, mit der Auflage verbunden, darauf Gemuese, Fruchtbaeume und dergleichen anzupflanzen. Auf diesem Ausflug fuehrt mir Ivan auch seinen dreiraedrigen Ballonreifen-Toeff vor, den er da draussen in seiner Garage stehen hat. Ein Unikum von Gefaehrt, mit dem man problemlos durch bodenlosen Sand, knietiefen Morast, ja sogar uebers Wasser fahren kann. Vorbei an endlos scheinenden Ackerflaechen, Birken- und Foehrenwaeldern und im Dauerregen gings dann auf der M5 zuegig gegen Osten, kam ich doch nach drei Wochen in Moskau nun langsam unter Zeitdruck und wollte es noch bis nach Kasachstan schaffen, bevor mein russisches Visum ablief. Die M5 ist eine wichtige Hauptverbindungsstrasse, dementsprechend gross war das Verkehrsaufkommen. Viele Autofahrer schienen den Strassenverkehr mit russischen Roulette zu verwechseln, Tempobeschraenkungen, Sicherheitslinien, Ueberholverbote, all dies schien fuer sie nicht existent. Dann fuehrte mich die Strasse hinein in den Ural, gruenes Huegelland, welches mich landschaftlich stark an die Schweiz erinnerte und mit dem Ural kehrte auch die Sonne zurueck. Etwa 100 km vor Celijabinsk markierte ein in die Hoehe ragendes Monument die Grenze zwischen Europa und Asien. Ich fuhr nun hinein nach Sibirien, liess den Ural bald zurueck und vor mir erstreckte sich wieder dieses flache, weite Land.
Asia - Europe border
In Celijabinsk wollte die beiden letzten mir verbleibenden Tage fuer Russland bei Freunden verbringen, bei Seva, Slava und deren Mutter Lidia. Daraus wurde dann aber eine ganze Woche, das Visum konnte mir Lidia, die beim staatlichen Reisebuero Intourist arbeitet verlaengern, zu meiner freudigen Ueberraschung bis Ende Oktober und Seva organisierte meinetwegen nicht nur ein riesiges Medienspektakel, sondern betrieb auch einiges an buerokratischem Aufwand, damit mir erlaubt wurde, mindestens einen kleinen Teil der Produktionsstaetten des Traktorenwerkes zu sehen, indem er als Journalist, bei der betriebseigenen Zeitung "Fuer Alle", arbeitet. Eindruecklich diese mehrere hundert Meter langen Produktionshallen, mit ihren oelig-schmierigen Boeden, museumsreifen Drehbaenken und Fraessmaschinen, quietschenden Hallenkraenen, die ganze Bulldozer anzuheben vermoegen. Auf unserem stuendigen Rundgang, wurden unsere Papiere gleich mehrmals von irgendwelchen Aufsehern kontrolliert und fotografieren durfe ich selber nicht, wenn ein paar wenige Fotos mit meiner Kamera, dann nur, wenn Seva den Ausloeser drueckte. Da stellte sich bei mir natuerlich die Frage, warum wohl diese Vorsichtsmassnahmen? Der veralteten Technik wegen, kaum aus Furcht vor Wirtschaftsspionage.
Ich fuhr dann weiter nach Kasachstan und hatte ploetzlich die Strasse fast fuer mich allein. Dafuer waren die Strassen abschnittsweise in einem katastrophalen Zustand. Tiefe, von den Lastwagen, in den Asphalt gedrueckte Spurrillen, dann wieder Schlagloch an Schlagloch. Ortschaften waren selten und wenn, dann wurden diese meist umfahren. Landschaftlich war der Norden Kasachstans gepraegt von Ackerflaechen, die sich flach bis zum Horizont hinzogen, kaum ein Baum, keine Regung in der Landschaft, nur Leere. Absolut nichts, woran sich mein Blick festhalten koennte. Diese Grenzenlosigkeit hatte etwas beaengstigendes und faszinierendes zugleich. Wann immer ich irgendwo anhielt, sei es zum Tanken, Einkaufen oder auch nur, um mir und meiner Maschine eine Verschnaufpause zu goennen, scharten sich sofort ein paar Einheimische um mich, betrachten neugierig meinen bepackten Zweiradesel und wollten wissen woher ich komme und wohin ich gehe.
Kazakhstan - cooking dinner in the steppes
Je weiter ich mich nach Sueden bewegte, umso trockner wurde das Land, wurde irgendwann zur Halbwueste und die Temperaturen kletterten weit ueber die 30°C Marke.
Als sich in der flirrenden Hitze ganz ploetzlich, schwach am Horizont sichtbar, eine schneebedeckte Bergkette abzeichnete, glaubte ich erst an eine Fata Morgana. In Wirklichkeit handelte es sich dabei aber um einen Teil des Tienshan oder Himmelsgebirges. Es war ein herrliches Gefuehl, nach Tagen und Tausender Kilometern Monotonie, der Anblick dieser weiss gepuderten Berggipfel.
Ein paar Tage blieb ich in Alma-Ata und fuhr dann weiter nach Kirgisien, wo ich bei der Einreise nicht mal ein Formular auszufuellen hatte. Die Formalitaeten reduzierten sich auf ein Plauderstuenden mit den Grenzbeamten ueber Gott und die Welt. Ich fragte sicherheitshalber nach, ob vielleicht nicht doch etwas vergessen wurde. Nein, herzlich willkommen in Kirgisien. Fahr zu, hiess es. Ich kam aber nur wenige hundert Meter. Am Checkpoint der Polizei hielt man mich bereits wieder an. Ich wurde ins Buero des Chefs zitiert. Dieser wollte fuer mich die fuer Kirgisien obligatorische Registration machen. Ich erhob Einwaende, weil ich annehmen musste, dass er am Schluss dafuer eine Unsumme Geld verlangen wuerde und versuche ihm klar zu machen, dass ich diese Formalitaeten in Bishkek erledigen wuerde. Alles half nichts. Er fuellte einen Zettel aus und wollte dafuer dann zehn Dollar haben. Schliesslich gab er sich auch mit 500 kasachischen Tenge zufrieden, etwas mehr als drei Dollar, die gleich in seiner Uniformtasche verschwanden.
Lake Issyk Kul See
Nach ein paar faulen Tagen in Bishkek machte ich mich auf zum Issyk-Kul-See, dieser liegt eingebettet in der Altau-Range, auf 1600 Metern Hoehe und gilt nach dem Titicaca-See in Suedamerika, als der zweitgroesste Bergsee auf diesem Planeten. Ich folgte der Nordseite des Sees. Sein tuerkisblau zeichnete sich kontrastreich von der braunen, trockenen Landschaft ab, dahinter tuermte die teilweise schneebedeckte Terskey-Alatau-Range. Nur durch kuenstliche Bewaesserung war hier Ackerbau moeglich und es gab Fruchtplantagen. Aprikosen und Kirschen wurden gerade geerntet und man bekam diese ueberall entlang der Strasse fuer wenig Geld zum Kauf angeboten.
Neben der Strasse lagen immer auch wieder Friedhoefe. Manche sahen aus, wie Miniaturdoerfer, mit Haeusern, Yurten und Moscheen. Der Grund, warum Friedhoefe in Kirgisien meist unmittelbar neben der Strasse angelegt sind, liegt darin, dass der Tod fuer einen Kirgisen der einzige Grund ist, sein Nomadenleben aufzugeben und in einem festen "Haus" zu leben. Er wuenscht sich dann aber mindestens einen Blick auf die Strasse, damit er den vorueberziehenden Verkehr beobachten kann.
Kyrgistan mountain pass
Zurueck in Balykchy folgte ich dem Chuy-River nach Sueden, bis Sary-Bulak. Von hier fuehrte mich eine schmale Schotterstrasse hinauf zum Song-Koel, auf 3530 Meter Hoehe. Im Zickzack kletterte die Piste einen kleinen Pass hoch, folgte eine zeitlang einem kargen Tal und erklomm ueber zahllose Kurven nochmals einen Pass, auf dem es noch Schneereste vom letzten Winter gab. Vor mir dann ein kesselartiges Tal, mit saftigen Wiesen, malerisch darin eingebettet Song-Koel. Verstreut ein paar Jurten, die Rundzelte der Nomaden. Diese gruene Grasland nutzen einige Hirtenfamilien, zwischen Juni und September fuer ihre Tiere als Sommerweide. Bei einer der ersten Jurte bedeutete man mir, die Geschwindigkeit zurueckzunehmen, man winkte mich heran. Nach kurzer Begruessung wurde ich in die Jurte gebeten und es gab Milchtee, Fladenbrot und Butter. Danach wurde schalenweise Kumys, vergorene Stutenmilch, ausgeschenkt. Eine Unterhaltung war schwierig, da wir in zwei verschiedenen Sprachen sprachen, doch hatte ich russische Zeitungsberichte ueber mich und ein paar Fotos mit, welche auf grosses Interesse stiessen. Ich wurde eingeladen zu bleiben.
Kyrgistan nomads
Kumys wird nur in den Sommermonaten hergestellt. In den fruehen Morgenstunden reiten die Maenner aus, um die Pferde einzuholen, die die Nacht draussen in der Steppe verbracht haben. Die Fohlen werden dann an ein straff, kuerz ueber der Erde gespanntes Seil angebunden, die Bindestricke so bemessen, dass die Fohlen nicht mehr an die Euter ihrer Muetter herankommen koennen. In dieser misslichen Lage haben sie nun den ganzen Tag an der prallen Sonne auszuharren. Zum Melken werden die Fohlen losgebunden und man laesst sie kurz am Euter der Mutter saeugen, um den Milchreflex auszuloesen. Danach wird die Stute gemolken, hoechstens einen Liter. Das Fohlen darf dann den Rest aus dem Euter saugen, bevor es wieder an die Leine kommt. Dieser Vorgang wiederholt sich etwa alle zwei Stunden, bis hin zum Abend. Dann werden die Fohlen mit ihren Muettern fuer die Nacht in die Steppe entlassen.
Nach dem Melken kommt die Milch in einen, aus einer ganzen Rinderhaut genaehten, Lederbeutel. Um die Gaerung anzuregen, wird diese nun immer wieder gestampft, um guten Kumys zu bekommen bis zu 5000 Mal. Dieses saeuerlich schmeckende, leicht alkoholhaltige Getraenk staerkt nicht nur die koerperlichen Abwehrkraepfte, sondern regt auch den Stoffwechsel an und ist fuer die Nomaden eine wichtige Vitaminquelle, essen diese doch waehrend der Sommermonate kaum Fruechte oder Gemuese. Fuer mich war Kumys ein etwas gewoehnungsbeduerftiges Gesoeff und wann immer ich sah, dass von Milchtee auf Kumys umgestellt wurde, liess ich mir jeweils viel Zeit, bei meiner letzten Schale Tee.
Auf einer steilen, ausgewaschenen Bergpiste muehte ich mich einen Pass hoch und wurde dafuer mit einem grandiosen Ausblick auf das Song-Koel-Tal und das umliegende Bergland belohnt. In weiten Kehren, auf steiniger Piste gings nun wieder talwaerts und bei Ottku war ich wieder auf der Hauptstrasse, die mich zurueck nach Bishkek und weiter Richtung Osch brachte.
Auf dem Weg zur usbekischen Grenze, war ich einmal mehr Gast in einer Jurte und erlebte dabei einen kulinarischen Hoehepunkt. Ich war dabei ein paar idyllisch gelegene Jurten zu fotografieren, als ein Hirte zu mir rueber kam, um mich einzuladen auch ein paar Fotos zu machen, wenn die Pferde gemolken wuerden und schliesslich wurde ich in die Jurte gebeten. Als ich die Jurte betrat, sassen bereits ein paar aeltere Herren beim Tee und unterhielten sich angeregt. Natuerlich wurde ich jetzt mit Fragen geloechert, waehrend die Frau des Hauses damit beschaeftigt war, Nudeln zu machen. Auf dem Herd brodelte ein riesiger Topf voll, nicht sehr appetitlich aussehender Fleischstuecke. Schafskoch, wie sich beim anschliessenden Essen herausstellte, das Hoechste aller Genuesse fuer einen Kirgisen. Ich schaetzte mich gluecklich, dass meine Anwesenheit nicht allzu hoch honoriert wurde und ich nur ein kleines Haeppchen von dem Kopf mit den Glotzaugen im Topf bekam, obwohl ich mir spaeter habe sagen lassen muessen, dass die Augen das leckerste am Ganzen seien. Stattdessen schoepfte mir der Hausherr fettiges Fleisch, Gedaerme und ein Stueck undefinierbare Wurst in meinen Teller.
Samarkand
In Usbekistan bin ich etwas den Spuren der alten Seidenstrasse gefolgt. Samarkand eine der aeltesten Staedte in Zentralasien, mit einer Geschichte die zurueck geht bis ins 5. Jh. v. Chr. Bereits in den Zeiten der legendaeren Seidenstrasse war dieser Ort wichtiger Knotenpunkt. Das herausragenste unter vielen Baudenkmaelern sicherlich die Registan. Ein Platz, von drei Seiten eingerahmt mit monumentalen Bauten, verziert mit ins Detail geschaffenen, orientalischen Mosaiken und tuerkisfarbenen Kuppeltuermen und goldgeschueckten Innenraeumen. Fuer mich aber der interessanteste Ort in Samarkand der grosse, zentrale Basar. Hier liess ich mich bezaubern vom geschaeftigen Treiben, den bunten Farben und orientalischen Geruechen, liess mich mal hier, mal dort auf einen Schwatz ein und machte eine kulinarische Entdeckungsreise in den verschiedenen Garkuechen. Hier fuehlte ich mich zurueckversetzt, in die Zeit, wo hier noch die Karawanen Halt machten.
Auch Buchara war ein wichtiger Ort an der Seidenstrasse. Das Zentrum der Altstadt ist eine Ansammlung architektonisch sehenswerter Bauwerke; ehemalige Koranschulen und Karawansereien, ueberdachte Markthallen, Moscheen und das imposante, 800 Jahre alte, Kalan-Minarett. Lohnenswert sicherlich auch, sich durch die engen, verwinkelten Gassen treiben zu lassen, wo es noch so manch interessantes zu entdecken gibt.
Bukhara
Wie schon Marco Polo berichtete, wird man auch als neuzeitlicher Reisender in Zentralasien immer wieder von der unbeschreiblichen Gastfreundschaft der Menschen hier ueberrascht, wird mit den ewig gleichen Fragen nach dem Woher und Wohin, ueber den Alltag und die Lebensumstaende in Europa konfrontiert. Immer wieder wurden mir unterwegs Getraenke offeriert, bekam ich haufenweise Fruechte geschenkt. Ich musste mich manchmal wehren, dass es nicht zuviele waren, denn wo sollte ich diese denn in meinem Gepaeck unterbringen.
Und es gibt sie noch immer, vorallem in Usbekistan, die Wegelagerer und Banditen, heute in Form uniformierter Beamter. Ihr schlechtes Gehalt versuchen sie bei Einheimischen, wie Fremden seinesgleichen aufzubessern, indem sie durch irgendwelchen, fadenscheinigen Behauptungen versuchen dir eine Busse anzuhaengen, um das Geld dann in ihren Taschen verschwinden zu lassen. Fuer solche Situationen war ich aber geruestet, mit offiziellen Schreiben, die mich als Korrespondenten auswiesen und russischen Zeitungsberichten, ueber mich und meine Reise. Und ich schien damit Erfolg zu haben, den meist erkundigte man sich dann schnell nach meinem Wohlbefinden und wuenschte mir eine gute Weiterreise.
Kazakhstan river crossing
Meine Erfahrungen hatten mich gelehrt, dass die Grenzabfertigungen an kleinen Uebergaengen meistens schnell und unproblematisch vonstatten gehen. Doch als ich bei Mikhaylovskiy wieder nach Russland einreisen wollte, zogen sich die Formalitaeten in die Laenge, weil es an dieser Grenzstelle scheinbar keinen Stempel gab, um mir die Einreise in den Pass zu stempeln. Ich wurde schon mal gebeten, die Papierkram fuer den Toeff zu erledigen, waehrenddessen wollte man versuchen, den noetigen Stempel aufzutreiben. Ohne Erfolg, wie sich dann herausstellte und so fuhr ein Beamter mit mir nach Staralevskaja, wo ich dann den noetigen Stempel in den Pass bekam.
In Barnaul gab es ein herzliches Wiedersehen mit meinen Motorradfreunden, vom Auto-Moto-Club Horizont. Kennengelernt hatten wir uns auf meiner Tour 1994 und ich erinnere mich nur zu gerne an die tolle Zeit, die ich damals mit ihnen verbrachte. Wie beim letztenmal wohnte ich auch diesmal wieder bei Victor und seiner Familie. Eine Bikerfamilie, wie aus dem Bilderbuch. Victor und seine beiden Soehne, Dima und Kostiy, sind alle begeisterte Toeffler und Tochter Lena, 12 Jahre, faehrt auch schon regelmaessig zu Toefftreffen mit. Ich war genau im richtigen Zeitpunkt gekommen, denn noch am selben Tag wollten sie zu einem Motorradreisetreffen nach Biysk fahren. Also brauchte ich erst gar nicht gross abzupacken.
Friends in Barnaul, Siberia
Wie es sich fuer Russland gehoert, fuhren wir spaeter als geplant weg und so war es bereits dunkle Nacht, als wir an unserem, idyllisch im Wald, gelegenen, Zielort eintrafen. Bereits flackerten ein paar Lagerfeuer zwischen den Baeumen und fuer die Neuankoemmlinge gabs erst einmal etwas zu essen und das obligate Glaeschen Vodka dazu. Dann erst kuemmerten wir uns um den Aufbau unserer Zelte. Den restlichen Abend stand ich Red und Antwort und schluepfte schliesslich totmuede in meinen Schlafsack.
Tagsdarauf stand Sport auf dem Programm und gegen meinen Willen wurde auch ich auf die Startliste gesetzt. Erst galt es einen Steilhang hochzudonnern, dann eine Art Slalomkurs zu absolvieren und schliesslich noch eine kurze Sprintstrecke. Dank ueberlegener Technik landete ich auf dem dritten Platz in dieser sibirischen Meisterschaft und wurde dafuer mit einem Diplom ausgezeichnet. Wie auf jedem russischen Bikertreffen gabs natuerlich auch hier ein paar spezielle Toeffs zu bestaunen, wie beispielsweise Alexanders 500er Einzylinder- Monster, der Motor von einer Jawa Speedway-Maschine in den Rahmen einer Ural eingebaut, das Getriebe einer 350er Isch und die Federelemente von einer CZ Crossmaschine oder Wladimirs Babuschka (Grossmutter), eine 30-jaehrige Jawa, die sicherlich manch interessante Geschichte zu erzaehlen wuesste. Und waehrend andere dem Vodka zusprechen, ueberholte Eugenj mal schnell den Motor seiner Jawa.
Auch in Nowosibirsk war ich Gast bei einem Toeffclub und wohnte bei Anatoli und seiner Familie. Dass die ganze Familie extra wegen mir in ein Nebenzimmer zog und mir das Wohnzimmer, samt Familienbett ueberliess, war mir ziemlich unangenehm, doch konnte ich nichts dagegen tun, denn das ist russische Gastfreundschaft. In Russland ist es ueblich, dass das Wohnzimmer nachts als Schlafraum dient, wobei das Sofa zum Bett umfunktioniert wird.
Nebst dem, dass bei meinem Metzeler Karoo nach 18000 Kilometern nicht mehr viel Gummi uebrig war und ich hinten einen anderen Finken aufziehen musste, hatte ich in Nowosibirsk auch noch ein kleines technisches Problem zu loesen. Das Kettenritzel war verbraucht und natuerlich hatte ich mal wieder keines in Reserve. In Nowosibirsk dafuer Ersatz zu finden, erwies sich als hoffnungslos, obwohl meine Freunde alle moeglichen Hebel in Bewegung setzten, selbst die Moeglichkeit, ein neues Ritzel in einer Werkstatt fertigen zu lassen, zogen sie in Betracht. Blieb schliesslich noch der Versuch, wie ich es schon einmal in Thailand habe machen lassen, die feine Innenverzahnung meines alten Ritzel in ein Neues einzuschweissen. Damals hatte jedoch das Ganze nicht funktioniert, weil sich, durch die Hitze des Schweissens, das Loch mit der Innenverzahnung verengt hatte und ich das Ritzel gar nicht mehr montieren konnte. Doch klappte es diesmal und es hat bis heute gehalten.
Typical Siberian village
Wieder unterwegs, zog die Strasse endlos vorbei an Birken- und Foehrenwaelder, dann wieder gigantisch grosse Getreidefelder, dazwischen ein paar malerische Doerfer, mit Holzhaeusern in den buntesten Farben. Ueberall entlang der Strasse wurden kesselweise Kartoffeln, Gemuese und Beeren zum Kauf angeboten. Dass hier bald der Herbst ins Land ziehen wuerde, konnte man an den Birken erkennen, deren sommergruenes Kleid langsam in ein gelborangefarbenes wechselte. Tagsueber kletterten die Temperaturen noch auf angenehme 25°C und nachts wurde es schon herbstlich frisch.
Je weiter ich mich nach Osten bewegte, umso groesser der Anteil rechtsgesteuerter Autos, alles Gebrauchtwagen importiert aus Japan. Nebst dem ist aber der Toeff, in erster Linie als Gespann, in Sibirien nach wie vor ein beliebtes, weil guenstiges Transport- und Fortbewegungsmittel und es ist erstaunenswert, was sich mit so einem russischen Vehikel alles transportieren laesst.
Ein negativer Aspekt von Perestroika liegt darin, dass in Sibirien nun begonnen wird, die riesigen Waelder der Taiga, meist illegal, von privater Seite her, fuer den Export nach Japan und in andere Laender, abzuholzen. Erst mit dem Zerfall der Sowjetunion wurde es fuer einen Russen ueberhaupt moeglich, Kontakte ins Ausland zu knuepfen und so haben sich nun auch diese privaten Holzabsatzkanaele ergeben. Natuerlich hat dabei auch Vaeterchen Staat seine Finger im Spiel, aber eben nur die dreckigen.
Nach etwas mehr als vier Monaten und 19300 Kilometern im Sattel meiner Yamaha erreichte ich die etwa eine halbe Million Einwohner zählende Stadt Irkutsk, früher ein Verbannungsort für Kriminelle und Regimekritiker. Als gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Transsibirische Eisenbahn Irkutsk erreichte, verhalf diese dem Ort zu einem wirtschaftlichen Aufschwung. Die Stadt hat ein sehenswertes Zentrum mit reich verzierten Holzhäusern aus dem 19. Jahrhundert und in der Architektur wiedergeben sich russische, mongolische, burjatische, wie auch westeuropäische Einflüsse.
Russian babushka, Siberia
Von hier aus machte ich einen Abstecher nach Nikola, um Baba Kathia zu besuchen, eine Babuschka, wie aus dem Bilderbuch. Damals, auf meiner vergangenen Russlandtour, hatte sie mich eingeladen, als ich ganz ueberraschend bei ihr, in meinen dreckigen, regennassen Toeffklamotten, vor der Haustuere stand, um Gruesse von Freunden auszurichten, ein paar Tage zu bleiben. Wir haben uns damals praechtig verstanden, obwohl wir verschiedene Sprachen gesprochen haben. Als ich nun wieder bei ihr an die Tuer klopfte, musste ich erfahren, dass Baba vor vier Jahren verstorben ist. Der aeltere Mann, der nun in ihrem Haus wohnt, erzaehlte mir von Ansichtskarten, aus allen moeglichen Orten dieser Welt, die von Zeit zu Zeit bei ihm eintreffen, adressiert an Baba Kathia.
Bereits auf meiner letzten Russlandtour war der Baikalsee der herausragendste Ort gewesen und auch diesmal war ich wieder fasziniert von seinem gewaltigen Naturschauspiel. Wieder hatte ich einen traumhaften Platz an seinen Ufern gefunden, wo ich fuer ein paar Tage mein Zelt aufstellte und dem Nichtstun froente. Jedoch war auch dieser Ort mit Muell verunstaltet gewesen. Fuer mich sicherlich der negativste Aspekt meiner ganzen Reise durch Russland und die zentralasiatischen Staaten, der Unrat und Abfall, der ueberall die Umwelt verschandelt. Kein idyllischer, noch so versteckt liegender Platz, ohne herumliegende Flaschen, Konservendosen, Plastiktueten und dergleichen. Wann immer die Leute daraufhin angespochen, sahen sie zwar das Problem, doch wirklich bemueht, daran etwas zu aendern, schien mir keiner, ganz nach dem Leitsatz, morgen dann vielleicht. Dies faengt beim Einzelnen an und endet bei den ganz Grossen, den Industrien.
Typical Siberian country house
Als der Wind auffrischte, wurde der See in wilde Aufruhr versetzt. Eine Welle nach der anderen rollte donnernd an den Strand; die erste Sinfonie vom Baikal, gespielt nur fuer mich. Immer wieder fuehrte mich meine Begeisterung dazu, mich oben an die Boeschungkante zu stellen und mit wilden Armbewegungen und dabei laut singend zu glauben ein ganzes Sinfonieorchester zu dirigieren. Oder waren dies erste Anzeichen von Verruecktheit?
Nach ein paar Tagen draengte dann die Zeit zum Aufbruch, hatte ich doch seit neustem einen Termin, den ich nicht verpassen durfte. Am 10. Oktober werde ich bei Yamaha in Japan erwartet. Diesen Termin hat mir Peter Manzanares, zustaendig fuer das Marketing, beim Schweizer Yamaha Importeur in Sursee, organisieren koennen.
In Chita, im hinteren Sibirien, wo keine Strasse weiter in den Osten fuehrt, war ich umgestiegen auf die Eisenbahn und fuhr ein Stueck weit mit der Transsib Richtung Wladiwostok. Zuerst wollte ich mir eine Fahrkarte bis Chabarowsk kaufen, habe ich dann ueberreden lassen nur bis Jerofei Pawlowitsch den Zug zu nehmen, weil es ab da angeblich wieder sowas wie eine Strasse geben soll und zumal dahin noch am gleichen Tag ein Zug abfuhr. Die angebliche Strasse erwies sich dann aber schon bald als eine Piste der uebelsten Sorte, wo Bruecken ueber die Fluesse weggespuelt wurden und man drohte in den Schlammloechern zu versinken. Als ich zum wiederholtenmale seitlich in einem dieser Schlammloecher hing und erst einen Teil des Gepaecks abladen musste, bevor ich die Maschine wieder auf die Raeder kriegte, resignierte ich. Kam dazu, wenn ueberhaupt, dass es hier kaum Verkehr gab. Ich haette also kaum auf fremde Hilfe hoffen koennen, wenn ich irgendwo eingeklemmt unter der Maschine gelaegen haette. Mit dem Alter wird man halt etwas vorsichtiger. Und ich fuhr zurueck nach Jerofei Pawlowitsch, um nochmals ein Stueck weit mit dem Zug zu fahren. Dort gabs schlechte Neuigkeiten, ab hier konnten Motorraeder nur in einer Kiste verpackt in den Zug verladen werden. Zufaellig traf ich dann aber auf Igor ein Bahngleisemonteur, der mir anbot, mich und meine Yamaha in ihrem Wagon mitzunehmen, wenn sie in ein paar Tagen nach Bureja fuehren. Ein Angebot, das ich natuerlich gerne annahm.
Nach etwas mehr als fuenf Monaten und 23000 Kilometern auf Achse erreichte ich schliesslich Wladiwostok, am Japanischen Meer. Hier war ich Gast beim Motorradclub Iron Tigers und wurde, wie es mir in Russland zwischenzeitlich gewohnt war, fuersorglich betreut und meine Yamaha wird zum erstenmal auf dieser Tour einer gruendlichen Waesche unterzogen. "Pirat", der Clubpraesident, fuhr mich zum Hafen und half mir, die fuer die Verschiffung nach Japan noetigen Papiere fuer meinen Toeff, zu machen.
Ich hatte bereits mit Russland abgeschlossen und war gedanklich schon in Japan, doch dann erlebte ich eine boese Ueberraschung. Bevor ich aufs Schiff belassen wurde, musste ich nochmals eine Zollkontrollstelle durchlaufen. Eine reine Formsache so glaubte ich, war doch meine Ausreise aus Russland bereits diesen Nachmittag von einem Beamten von der Immigration in meinen Pass gestempelt worden. Doch dann behauptet die Beamtin, ich haette kein gueltiges Visum mehr gehabt fuer Russland und muesse erst wieder ein Neues beabtragen, bevor ich das Land verlassen koenne. Ich verstand die Welt nicht mehr, wies doch mein Visa eine Gueltigkeit bis Ende Monat aus. Das Problem lag darin, dass ich damals mit diesem Visum bereits bei Celijabinsk nach Kasachstan ausgereist und zwei Monate spaeter in Barnaul damit wieder nach Russland zurueckgekommen war. Mit der Wiedereinreise nach Russland wurde mein Visum aber ungueltig, weil dann, die je eine Ein- und Ausreise fuer welche dieses Visa berechtigt hatte, verbraucht gewesen war.
Im Klartext, sobald ich bei meiner zweiten Einreise nach Russland, die Grenzformalitaeten abgeschlossen hatte, war mein Visa ungueltig. Soviel Unlogik, wie man sie vielleicht waehrend der Sowjetzeiten haette wartig sein koennen. Die Beamten stellten sich auf stur und so fuhr das Schiff schliesslich ohne mich ab, den Toeff wieder auszuladen, dafuer jedoch war es zu spaet. Nach einem zusaetzlichen Wochenende in Wladiwostok gings am Montag mit einer Reisebueroangetellten zum Ovir, der fuer Visas zustaendigen Stelle und dabei gabs eine weitere boese Ueberraschung. Ein neues Visa koenne ich nur dort bekommen, wo mein letztes Visa verlaengert worden war, wurde uns gesagt. Ich muesste also etwa 8000 Kilometer, ohne gueltiges Visa versteht sich, zurueckfahren, um dort ein Visa zu beantragen, um aus Russland ausreisen zu koennen. In dem Augenblick hatte ich wirklich das Gefuehl gehabt, in einem Irrenhaus gelandet zu sein. Unverrichteter Dinge gings zurueck ins Reisebuero, um es zwei Stunden spaeter nochmals zu probieren, ein letzter Versuch wurde mir gesagt. Wenn es diesmal nicht klappe, dann gaebe es fuer mich nur den Weg zurueck nach Celijabinsk. Diesmal hatten wir einen Termin beim Chef der Ovirs hoechstpersoenlich. Endlich ein Mensch, der noch logisch zu denken vermochte und eine Stunde spaeter hatte ich ein neues Visa, gueltig fuer nur eine Ausreise. Ein Abschied von Russland, wie aus dem Bilderbuch gegriffen. Eine Buerokratie, unlogisch, wie sonst nichts auf dieser Welt, die nur dank der Hilfsbereitschaft und dem totalen Einsatz des ganzen Teams von Business Intour Service geloest werden konnte.